Ich wage es kaum zu sagen, aber ich sehne mich ein wenig danach, dass Donald Trump endlich sein Amt übernimmt. Vielleicht endet dann dieses Mediengegacker, das seit dem 8. November gefühlt jede Woche mindestens ein neues Zeitalter ausgerufen und zwei Äonen für beendet erklärt hat. Bislang finden rationale Einschätzungen zwischen Weltuntergangsprophezeiungen und Heilserwartungen nur wenig Platz.
Auf der einen Seite füllen sich Feuilleton-Seiten und sicher bald auch Bücher mit Texten, die immer noch versuchen, das Wahlergebnis zu erklären, besonders gern mit Dummheit und Ignoranz – der Wähler, der Liberalen, der Medien. Zwischen den Zeilen dieser Versuche steht der Eindruck, die Verfasser holten gerade noch einmal tief Luft, um ab dem 20. Januar erst einmal das Atmen einzustellen, wenn es sein muss für vier Jahre. Für ganz schlechte Tage haben sie sich wahrscheinlich einen Ordner mit den besten Obama-Reden angelegt.
Anderswo werden Sehnsüchte formuliert, die von Trump die Erlösung von allen Zumutungen der modernen Gesellschaft erwarten: Steuern, Schwulenrechte, Geschwindigkeitsbegrenzung, rationales Denken und was einem sonst noch so alles das Leben vergällen kann. Manche Artikel vibrieren vor Verlangen nach dem Tag, an dem endlich das Menschenrecht darauf verwirklicht wird, den dann ehemaligen Präsidenten wieder Nigger nennen dürfen.
Dabei ist seit der Wahl nichts geschehen, was die Aufgekratztheiten rechtfertigt: ein gelinder diplomatischer Fauxpas, Kabinettserennungen, mehr oder weniger verständliche Twitterbotschaften. So what?, möchte man fragen.
Stattdessen lassen sich die Medien von Trumps Tweets in einen permanenten Alarmzustand versetzen. Der gewählte Präsident schafft es, dass gefühlt jede seiner Anmerkungen via Twitter zur Breaking News wird – in einer Pressekonferenz gelänge ihm das kaum. Trump wirft den Medien ein paar Brotkrumen hin und die picken und tschilpen darüber wie die Spatzen bei der Winterfütterung.
Trumps Kommentare werden mit einer Mischung aus Sensationslust und Ratlosigkeit rezitiert, aber trotz aller Expertenrunden kann sich offenbar keiner einen Reim darauf machen. Ersatzweise werden diverse Epochenwechsel ausgerufen. Welche Vorstellungen aber haben professionelle Politikbeobachter von einer der ältesten Demokratien der Welt, wenn Sie den Eindruck erwecken, der Mann im Weißen Haus könne die Weltordnung mit einem Fingerschnippen aus den Angeln heben? (Warum dieser Obama das eigentlich acht Jahre lang nicht hinbekommen?)
Wer, wenn nicht politische Journalisten sollte einen abgeklärten, nüchternen Blick auf das Faszinosum eines Regierungswechsels an den Tag legen? – Auf Sicht fahren, statt zu orakeln und in Augenblicken allgemeiner Ratlosigkeit dem Publikum gestehen, dass schwer zu sagen ist, was als nächstes kommt.
Kai Dieckmann spricht davon, dass Trump einen neuen Stil in die Politik bringe, an den wir uns gewöhnen müssten. Das stimmt wahrscheinlich. Für die Medien kommt es darauf an, sich durch Stilfragen nicht davon ablenken zu lassen, dem neuen Präsidenten beim Regieren besonders genau auf die Finger zu schauen. Einen Anspruch auf ein pflegeleichtes Berichterstattungsobjekt haben sie nicht.
Wer einen professionellen Abstand zu Trump gewinnen will (keine reflexhafte Kritik, aber auch keine Liebedienerei), der wird ihm nach Amtsantritt die Chance geben müssen, zu liefern, Dinge anders anzupacken als sein Vorgänger, der auch nicht alles richtig gemacht hat. Womöglich gelingt Trump auch das eine oder andere besser als Obama. Zugegeben fällt es derzeit schwer zu sagen, was das sein könnte, denn Stringenz zählt bisher nicht zu den Stärken des neuen Präsidenten.
Journalisten müssen ein vernünftiges Arbeitsverhältnis zu Trumps Stil finden. Das heißt, sie müssen begreifen, dass sie Trump seine Vorliebe für Twitterkommentare und seine Abneigung gegen Pressekonferenzen nicht abgewöhnen werden. Vielleicht sollten sie sein Tweetbombardement also ein wenig wie eine permanente Pressekonferenz betrachten. Mit anderen Worten: Pressestelle kontaktieren, größere Recherchen in die Wege leiten und wenn POTUS kryptisch oder widersprüchlich wird, nachfragen, ehe sie es herausblasen. Das dauert natürlich, denn anders als bei einer Pressekonferenz gibt es keinen direkten Kontakt und es steht zu erwarten, dass sich Trumps Leute für die Antworten Zeit lassen. Auf alle Fälle wird es länger dauern als ein Frage-Antwort-Spiel bei einer Pressekonferenz. Aber die Pressestelle wird anders als Trump nicht sagen können: „Wir beantworten keine Fragen von dieser oder jenem.“
Es ist meistens nicht hilfreich, seinen Job mit Schaum vor dem Mund zu betreiben oder dabei auf Hass und Wut mit Wut und Hass zu reagieren – weder für Journalisten, noch für US-Präsidenten. Falls Trump aus der Rolle fällt, ist das seine Sache, die der Medien ist es erst einmal, so kaltblütig wie möglich darüber zu berichten, es einzuordnen und dem Leser das Urteil zu überlassen. Der ist nämlich nicht blöd.
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