Journalisten nerven. Sie sind Berufszyniker, sie können nur von Skandalen leben. Wen sie gestern noch gelobhudelt haben, schreiben sie heute in Grund und Boden. Ständig suchen sie nach Haaren in der Suppe und wenn ihnen jemand kritisch kommt, sehen sie nicht sich, sondern mindestens die Verfassung verletzt, von wegen Pressefreiheit und so.
Vielen wollen das nicht mehr hören oder lesen. Sie wollen sich nicht von Leuten informieren lassen, die von ihrem Verleger abhängig sind, ihre Meinung anscheinend je nach Geschäftslage wechseln und dann auch noch behaupten, das hätten sie schon immer so gesagt. Dann schon lieber Leute, die mit Herzblut für die Verwirklichung konkreter Ziele schreiben – digitale Demokratie oder vegane Lebensweise etwa.
Da gibt es zum Beispiel Campact, eine Nichtregierungsorganisation, die eine transparente Zivilgesellschaft fordert und Kampagnen für mehr demokratische Teilhabe fordert. Im Juni schreckte sie die wie gebannt auf die Fußball-WM starrende Öffentlichkeit mit der Mitteilung auf, die Koalition wolle während des Turniers heimlich ein Gesetz durchsetzen, das das umstrittene Fracking erlaube.
Wachsame Zeitgenossen waren alarmiert: Man kennt das ja – vor zwei Jahren beschloss der Bundestag während des Europameisterschaftsspiels Deutschland-Italien ohne weitere Debatte ein neues Meldegesetz, das die Rechte des Bürgers gegenüber Adresshändlern und Werbetreibenden geschwächt hätte. Die Website abgeordnetenwatch.de sprach damals von einem Handstreich.
Mal abgesehen davon, dass Gesetze immer mal wieder auf diese Art beschlossen werden, besonders wenn es auf Mitternacht zugeht und die Abgeordneten sich nach 15 Stunden Sitzung kaum noch konzentrieren können und ihre Reden deshalb zu Protokoll geben, sieht es diesmal doch ein bisschen anders aus. Wer die Arbeit des Parlaments ein wenig kennt, weiß, dass über jeden Gesetzentwurf in drei Lesungen abgestimmt wird. Nach der ersten wird er in die Bundestagsausschüsse überwiesen, die ihn der Regel wochenlang beraten und ändern. Danach folgen die zweite und die dritte Lesung. Mit anderen Worten: Da die WM nur vier Wochen dauert, würde es der Bundestag kaum schaffen, während dieser Zeit ein Fracking-Gesetz zu beschließen. In diesem Fall hat aber noch nicht einmal die Bundesregierung einen Gesetzentwurf beschlossen, den der Bundestag dann hätte beraten können.
Als einzigen Beleg für ihre These nannte Campact einen Brief von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel an die Linkenabgeordnete Gesine Lötzsch in dem davon die Rede ist, das Kabinett solle sich nach Möglichkeit mit dem Gesetz noch vor der parlamentarischen Sommerpause befassen. Nun ist eine Befassung keine Beschluss und selbst wenn die Bundesregierung den Gesetzentwurf beschließen sollte (was natürlich möglich ist) wären nach diesem Beschluss keine Abgeordneten mehr da, die darüber abstimmen könnten. Die Parlamentarier machen nämlich ungefähr acht Wochen Pause (Dieser Brauch heißt parlamentarische Sommerpause) und im September ist die WM aller Voraussicht nach vorbei. Das alles hätte Camapact wissen können, wenn es der Organisation nicht nur um einen Knalleffekt gegangen wäre, mit dem man möglichst viele Leute zur Unterschrift gegen Fracking animieren kann. Auch der Hinweis auf die EM 2012 und das Meldegesetz fruchtet nicht. Damals lag das Gesetz nämlich schon im Bundestag und auch die Ausschüsse hatten sich damit auseinandergesetzt. Die viel zitierten 57 Sekunden, in denen es beschlossen wurde, waren lediglich die zweite und dritte Lesung.
Nun ist die parlamentarische Arbeit vielleicht nicht das Fachgebiet der Leute vom Campact. Gänzlich falsch aber ist ihre Behauptung, die Bundesregierung wolle mit ihrem Gesetz Fracking heimlich erlauben. Dass dafür die Belege fehlen, ist nicht verwunderlich – Fracking ist nämlich längst erlaubt, wie Campact an anderer Stelle selbst einräumt. In einem Rechtsstaat ist alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist. Für Gasförderung gilt das das Bergrecht und das verbietet Fracking nicht, weil das Gesetz zu einer Zeit formuliert wurde, als es dieses umstrittene Verfahren noch gar nicht entwickelt war.
Was die Bundesregierung beim Fracking vorhat, steht im Koalitionsvertrag. Dort heißt es, Fracking solle erst genehmigt werden, wenn aufgrund von Datenerhebungen negative Auswirkungen auf Mensch, Natur und Umwelt ausgeschlossen werden können. Damit man an Daten herankommt, muss man das Verfahren ausprobieren und dabei auch die neusten Entwicklungen berücksichtigen. Genau das versucht Gabriel jetzt umzusetzen.
Fracking ist eine neue und in ihrem Folgen noch wenig erforschte Technologie, die zudem ständig weiter entwickelt wird. Das Umweltbundesamt beurteilt Fracking kritisch, hält es aber in bestimmten Fällen für anwendbar. Es wäre also nahe liegend, das herauszufinden.
Aber Camapact geht es nicht darum, unter welchen Umständen Fracking eventuell umweltverträglich möglich ist, die Organisation fordert ein „Fracking-Verbotsgesetz“ Datenerhebungen hält sie offensichtlich für überflüssig, weil ihr Urteil schon feststeht. Campact geht es also vor allem darum, Fracking zu diskreditieren. Das kann man erreichen, indem man behauptet, die Technologie solle in einer Nacht-und-Nebel-Aktion erlaubt werden. Dem unbefangenen Beobachter wird nahegelegt: an einem Verfahren, das vom Bundestag nur klammheimlich genehmigt werden kann, muss etwas faul sein.
Viele finden dieses Vorgehen trotzdem in Ordnung, es dient ja einem guten Zweck. Aber ist das eine Alternative zum Journalismus? Leider schreiben professionelle Journalisten immer wieder Dinge auf, die nicht richtig sind. Sie tun das aber nicht, weil sie die Wahrheit verschleiern wollen, sondern weil sie bei der Suche nach ihr dummerweise ab und zu in die Irre gehen. Wenn ihnen das passiert, korrigieren sie sich allerdings. Organisationen wie Campact dagegen geben Fehler entweder gar nicht zu oder behaupten, sie seien von anderen begangen worden.
Kampagnen sind keine Alternative zum viel beschimpften Mainstream-Journalismus, sie sind überhaupt kein Journalismus. Ein guter Journalist bleibt immer auf Distanz zum Gegenstand seiner Berichterstattung und auch stets misstrauisch gegenüber seinen Erkenntnissen. Das unterscheidet ihn vom Lobbyisten und verschafft ihm die geistige Unabhängigkeit, neue Einsichten zu gewinnen. Campact hat dagegen hat sich den Zielen ihrer Kampagnen so sehr verschrieben, dass es ihr sichtbar schwer fällt, Entwicklungen oder Forschungsresultate zu diskutieren, die ihre Position in Frage stellen. Das heißt nicht, dass solche Organisationen in der öffentlichen Debatte unwichtig oder überflüssig wären. Ganz im Gegenteil. Sie sind allerdings kein unabhängiger Schiedsrichter sondern Mitspieler, genau wie die Industrie.
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